Warum Fifa-Schiedsrichter auf sächsischen Plätzen pfeifen

Warum Fifa-Schiedsrichter auf sächsischen Plätzen pfeifen

Unparteiische aus Malta leiteten am Wochenende Fußballspiele in der Region. Ein vogtländischer Referee tritt im Herbst den Gegenbesuch an. Seine Kollegen von der Mittelmeerinsel erzählen, was ihn dort erwartet.

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Der aus Muldenhammer stammende Referee Lars Albert (Mitte) leitete das Testspiel zwischen Auerbach und Aue mit Christopher Francalanza (rechts) und Duncan Spencer aus Malta. Foto: Marcus Schädlich

Auerbach – Die Zuschauer schimpften. „Das kann doch kein Abseits gewesen sein“, warfen die Fans des VfB Auerbach am Samstag dem Linienrichter lautstark vor. Doch der blieb cool – was vermutlich auch daran lag, dass er die vogtländischen Beschimpfungen gar nicht verstand. Denn auf den sächsischen Fußballplätzen wurde am Wochenende Englisch gesprochen. Zumindest in Auerbach, wo der Regionalligist VfB gegen den Zweitligisten Erzgebirge Aue antrat, Stollberg und Markranstädt. Dort, wo sonst Schiedsrichter aus der Region die Spiele leiteten, reisten die Unparteiischen diesmal mit dem Flugzeug an.

Denn erstmals in der Geschichte des sächsischen Regionalfußballs leiteten Schiedsrichter aus Malta drei Spiele – darunter eben auch die beiden Sachsenpokal-Spiele in Stollberg und Markranstädt. Nun ist ein Austausch von Schiedsrichtern zwischen den deutschen Landesverbänden nichts Besonderes, zwischen nationalen Verbänden dann aber schon. „Wir pflegen einen regen Austausch mit anderen Nationen“, sagt Clayton Pisani, der maltesische Delegationsleiter. Und nach Deutschland kam der Kontakt über Johannes Schipke aus Halle zustande, der die Südländer bei der Studenten-WM kennengelernt hatte. Die Fäden zwischen dem Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV) und den Maltesern waren schnell gesponnen. In Sachsen war Lars Albert – selbst Regionalliga-Schiedsrichter – Feuer und Flamme für die Idee und übernahm die Organisation. Die Kollegen aus Malta sollen von den Deutschen lernen – aber auch andersherum.

Das ist insofern überraschend, weil es im Vergleich zu Malta in Deutschland über 50.000 Schiedsrichter gibt und damit auch mehr Erfahrung. Aber: Von den 150 Schiedsrichtern auf der Mittelmeer-Insel sind vier als Fifa-Schiedsrichter geführt und acht als Fifa-Assistenten. Deutschland mit seiner erheblich höheren Anzahl an Schiedsrichtern hat nur zehn Fifa-Schiedsrichter. Und so standen auch am Wochenende Fifa-Schiedsrichter und -Assistenten auf sächsischen Plätzen. „Ich habe schon überlegt, ob ich nicht nach Malta wechsle, um noch mal erste Liga zu pfeifen“, scherzt Albert. Allerdings sollte sich der Vogtländer aus Muldenhammer das wohl noch zweimal überlegen. „Im Vergleich zu Malta sind die Spiele in Deutschland für den Schiedsrichter deutlich entspannter“, sagt Clayton Pisani, der selbst früher Fifa-Schiedsrichter war und das Länderspiel der DFB-Elf in Gibraltar geleitet hat. „In Deutschland ist das Spiel direkter und sauberer.“ In seiner Heimat kracht es oft. Zu oft für seinen Geschmack. „Der größte Unterschied zu Deutschland ist, dass der Schiedsrichter auf Malta viel mit Konfliktmanagement beschäftigt ist. Du musst in jeder Aktion etwas Schlimmes erwarten.“

„Im Vergleich zu Malta sind die Spiele in Deutschland für den Schiedsrichter deutlich entspannter.“

Die Emotionen kochen bei vielen Spielern auf Malta schneller über. „Mich hat beeindruckt, dass die deutschen Schiedsrichter viel mit den Spielern reden“, sagt Duncan Spencer, seines Zeichens Erstliga-Assistent auf Malta. „Bei uns wäre das nicht möglich. Die Spieler sagen dir klar: ‚Es geht dich nichts an, wie ich spiele. Sprich nicht mit mir.‘“ Die hohe Emotionalität sei übrigens unabhängig davon, ob es sich um ein Test- oder ein Pflichtspiel handelt. „Du kannst das Spiel auch nicht laufen lassen. Ganz anders als in Deutschland“, sagt Pisani. „Sobald du das tust, kocht das Spiel hoch.“

Albert wird beide Seiten kennenlernen. Er wird im Herbst zum Gegenbesuch nach Malta fliegen und auch Spiele in einer der heißesten Ligen Europas leiten. „Angst habe ich überhaupt keine“, sagt er. „Im Gegenteil: Ich freue mich darauf.“ Genug Tipps, wie er mit den emotionalen Maltesern umgehen soll, wird er von seinen neuen Schiedsrichter-Kollegen aus Malta erhalten.

Die haben in Sachsen sehr schnell Erkenntnisse gesammelt „Wir pfeifen sehr schnell und sehr viel, weil wir jedes Mal denken, dass andernfalls die Situation eskaliert.“ Selbst nach Toren müssen Schiedsrichter auf der Hut sein. Fifa-Assistent Christopher Francalanza berichtet: „In meinem letzten Spiel auf Malta hat der Torschütze mit den Händen eine Pistole geformt und so getan, als würde er auf die gegnerischen Fans schießen.“ Im Vergleich dazu sind die Rufe über eine knappe Abseitsentscheidung in Auerbach schon fast ein Kinderspiel.

Marcus Schädlich

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