Auerbachs Torjäger ruht in sich

Auerbach.

Er trifft und trifft und trifft: Auch wenn ihm am Samstag bei Regionalliga-Spitzenreiter Viktoria Berlin das Tor zum 3:3-Ausgleich in letzter Sekunde verwehrt blieb und das Leder über die Latte zischte: Marc-Philipp Zimmermann verkörpert gerade das, was Reporter gern als Lebensversicherung eines Klubs bezeichnen. Mit seinen Toren will der kleine VfB Auerbach wie schon in den vergangenen Jahren die 4. Liga halten. In der ersten vollständigen Spielzeit bei den Vogtländern in der Saison 2017/18 traf der gebürtige Spremberger in 33 Partien 17-mal ins Schwarze. Ein Jahr später waren es 13 Tore in 28 Punktspielen, 2019/20 dann 16 Buden in 22. Und in dieser Saison stürmte Zimmermann bisher in allen neun Partien für den VfB,zehn Treffer stehen zu Buche.

Auch beim zuletzt enorm wichtigen 3:2-Heimsieg gegen Meuselwitz schoss „Zimbo“, wie er in Spielerkreisen gerufen wird, mit seinem Dreierpack den Kontrahenten quasi im Alleingang ab. Das wiederum hört Zimmermann gar nicht gern, denn er weiß: „Ich bin nur so gut, wie ich eingesetzt werde. Und es ist ja auch die Aufgabe eines Mittelstürmers, die Eingaben zu veredeln. Sicher hat mir gutgetan, dass neben ,Schloss‘ mit Yannic Voigt noch ein Spieler dazugekommen ist, der gut flanken kann“, erklärt der 30-Jährige seinen Lauf. Mit „Schloss“ ist Kapitän Marcel Schlosser gemeint. In Auerbach legt quasi der Schlosser dem Zimmermann auf, und wird dabei von Voigt unterstützt. Der ist gerade mal 17 Lenze jung und letzte Saison mit der B-Jugend in die Regionalliga aufgestiegen. Eigentlich sollte er behutsam an die Männermannschaft herangeführt werden. Doch der Youngster, Sohn des CDU-Landtagsabgeordneten Sören Voigt, kam bereits in acht Partien zum Einsatz, erzielte drei Treffer und legte „Zimbo“ auch dreimal auf.

Zimmermanns Torriecher, sein Trainingsfleiß und seine Erfahrungen machen ihn zu einem der besten Torjäger der 4. Liga. Zwickaus Sportdirektor Toni Wachsmuth sagte einmal über seinen Mitspieler: „Er ist frühmorgens der erste, der da ist, und meist der letzte, der wieder vom Hof rollt. In seinem Wohnzimmer steht wahrscheinlich ein Kopfballpendel, weil er nie genug vom Fußball bekommen kann.“

Kaum zu glauben, dass Zimmermann im Januar 2017 selbst seinen Traum vom Profifußball begraben hat und sich nach einem halben Drittligajahr vom FSV Zwickau verabschiedete. Sein Verhängnis damals: Königstransfer Ronny König war unter Aufstiegstrainer Torsten Ziegner gesetzt. Neben dem Routinier blieb maximal ein Platz frei, für den sich auch Jonas Nietfeld (aktuell beim Halleschen FC) bewarb. „Jonas und ich haben nie von Beginn an zusammengespielt. Das war schade. Aber man muss auch sagen, dass die Hinrunde damals bescheiden war. Und noch ein halbes Jahr wollte ich mich in Zwickau nicht auf die Bank setzen“, blickt „Zimbo“ zurück.

Auerbach bot ihm letztlich die beste Alternative, weiter zu kicken, aber auch einen beruflich anderen Weg einzuschlagen. So begann er auf der Polizeifachschule in Schneeberg seine Ausbildung, die er im besten Fall im März 2021 als Polizeimeister abschließen wird. Dieses Jahr steht ab November ein weiteres Praktikum an. Dann heißt es, Schichtdienste auf dem Zwickauer Revier mit den Torjäger-Ambitionen im Vogtland zu koordinieren. Keine leichte Aufgabe, „zumal man ja das eine oder andere für die Ausbildung lernen muss“, wie der Polizeischüler erfahren hat. Gerade in Prüfungszeiten bekommt der Torjäger aber alle Unterstützung vom Verein und von seinem Trainer Sven Köhler. Der freut sich riesig über die außerordentliche Trefferquote seines Angreifers: „Nachdem es mit der 3. Liga in Zwickau nicht klappte, hat er sein Leben neu geordnet. Ich denke, dass er nach der Karriere beruflich abgesichert ist, tut ihm sehr gut. Es läuft bei ihm, weil er in sich ruht“, schätzt Köhler ein. Dazu passt das private Umfeld. Zimmermann wohnt mit seiner Freundin in Zwickau, wo Sohn Luis (2 Jahre) der Mittelpunkt der jungen Familie ist.

Der Chefcoach weiß natürlich, dass so eine Torquote auch Begleiterscheinungen nach sich zieht. So stellen die Gegner für den Torgaranten oft einen zweiten Defensivspieler ab. „Wir werden nicht umhin kommen, dass auch andere Spieler torgefährlich sein müssen“, blickt Köhler voraus. Marc-Philipp Zimmermann selbst nennt einen positiven Nebeneffekt: „Wenn sich die Abwehrspieler um mich kümmern, bekommen andere im Team mehr Freiräume.“

Und was ist, wenn doch nochmal ein Profiverein aus der 3. Liga anklopft? Schwer vorstellbar, dass „Zimbo“ ins Überlegen kommt: „Klar soll man nie nie sagen. Aber irgendwas würde dann auf der Strecke bleiben, denn den Polizeidienst könnte ich ja nicht aussetzen. Ich möchte, solange es geht, in Auerbach Fußball spielen, und das möglichst in der Regionalliga.“ Seinen Vertrag hat er beim VfB inzwischen auch bis 2023 verlängert.

Übrigens: Als Sven Köhler die Aufgabe in Auerbach übernahm, trug Zimmermann bereits das gelb-schwarze VfB-Trikot, in dem er sich fast zwangsläufig wohlfühlen muss. Aus seiner Liebe zu Dynamo Dresden hat der Lausitzer jedenfalls nie einen Hehl gemacht. Entsprechend litt er in der Vorsaison. Den Abstieg nennt er trotzdem mit Blick auf den Kader „verdient“, den Neuanfang in der 3. Liga nun vielversprechend. Mit SGD-Kapitän Sebastian Mai stieg er zu Zwickauer Zeiten in die Dritte Liga auf. „Das sind Typen wie es damals zu besseren Zeiten ein Hefele oder Eilers waren“, traut Marc-Philipp Zimmermann Dynamo Rang eins bis vier zu. Nur wann er – unabhängig von Corona – mal wieder als Fan im K-Block des Dresdner Stadions stehen wird, weiß er nicht. Wegen akuter Zeitnot ist daran derzeit nicht zu denken.

Aufstiegsheld in Zwickau

Marc-Philipp Zimmermann kam von seinem Jugendverein SV Grün-Weiß Weißwasser als 13-Jähriger auf die Sportschule in Cottbus. Beim FC Energie durchlief er die Jugendabteilungen bis hoch in die erste Männermannschaft, die 2008 unter Trainer Bojan Prašnikar Bundesliga spielte.

Über die Stationen VFC Plauen und Carl Zeiss Jena heuerte der 1,78 Meter große Torjäger 2014 beim FSV Zwickau an. Bei den Westsachsen wurde er 2016 zum Aufstiegshelden. In jener Saison traf er in 30 Partien 15-mal ins Schwarze. In der Winterpause 2016/17 wechselte er wieder eine Liga tiefer zum Regionalligisten Auerbach.

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